Vereinsfortbildungsreise nach Brünn: tschechischer Braukunst auf der Spur

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Untergäriges tschechisches Bier erfreut sich auch weit außerhalb der Landesgrenzen außerordentlicher Beliebtheit. Grund genug, um unserem Nachbarland einmal einen Besuch abzustatten, neue sensorische Eindrücke zu sammeln und den einheimischen Brauerinnen und Brauern ein paar ihrer Geheimnisse zu entlocken. Gesagt, getan, am 26.9.2025 brach der Verein Braucampus zur zweiten gemeinsamen mehrtägigen Fortbildungsreise nach Brünn auf. Ein Bericht von Tilo Schwarzbach [TS] und Thomas Ascher [TA].

Verein Braucampus zu Besuch bei U Tomana (2025)

Brünn für Bierliebhaber/-innen

Was erwartet einen in Brünn abseits eines sehenswerten und kompakten Altstadtkerns? Da wären zum Beispiel zahlreiche Bierlokale in jeglicher Größe, angefangen von kleinen Pubs bis hin zu Gasthausbrauereien und Bierhallen wie Pivovarský dům Poupě, über Bottle Shops wie Solniční, bis hin zu Kleinbrauereien wie die Brauerei von Petr Hauskrecht. Dabei darf man die Starobrno Brauerei natürlich nicht vergessen, über deren Bierqualität einige Einheimische aber durchaus sehr kritische Worte finden. Wer über ausreichend Kleingeld verfügt, kann sich beim Brauereihersteller Destila noch eine eigene Brauanlage planen lassen oder gleich einen längeren Aufenthalt für eine brautechnische Ausbildung anstreben. Kurz gesagt, das Angebot ist vielfältig. Einige der Brauereien bieten auch Führungen für kleinere Gruppen an. Bei den Brauereien, die wir besucht haben, das sind EFI Pivovar und U Tomana, wurden die Führungen von den Brauern selbst abgehalten. [TA]

Altstadt von Brünn (Ascher, 2025)

CRAFTBEER Bar & Bottle Shop Solniční (Schummi, 2025)

EFI Pivovar

Details zum Brauhotel 

EFI Pivovar & Hostinec
Nám. 28. října 1903/23, 602 00 Brno‑střed
Webseite: https://www.efipivovar.cz

Besuchsbericht

Die EFI Pivovar (Brauerei EFI) ist in ein unternehmerisches Konzept eingebettet, das in Tschechien gar nicht mal so selten zu sein scheint: man begnügt sich nicht unbedingt mit einer Brauerei oder einer Gasthausbrauerei, sondern man integriert die Brauerei in ein umfassenderes Hotel-Gastronomiekonzept. In diesem Fall befindet sich die Brauerei im Stammhaus der EFI Hotels und versorgt von dort aus insgesamt vier Standorte dieser Hotel- und Gastronomiekette mit Bier (drei davon in Brünn, ein weiterer etwas außerhalb von Brünn in Račice-Pístovice). Die Brauerei ist leicht nordöstlich der Altstadt gelegen und fußläufig in ca. fünfzehn Minuten vom Náměstí Svobody (Hauptplatz) zu erreichen.

Von außen und im Gastraum wirkt das Gebäude mit einer großen Glasfront sehr modern, ist aber tatsächlich ein älteres Gebäude und war ein leerstehendes Krankenhaus, bevor Brauerei und Hotel einzogen. Die Brauerei wurde 2020 eröffnet – in nicht gerade einfachem Geschäftsumfeld.

Die Besuchergruppe wurde hier sehr freundlich und angemessen mit einem frisch gezapften Šnyt des 11° Lagerbiers begrüßt (in Tschechien ist es üblich, dass Biere anhand ihrer Stammwürze bezeichnet werden). Die Brauereiführung erfolgte durch den sehr freundlichen und zugewandten Head Brewer der Brauerei, der sein Studium an der Universität in Brünn absolvierte.

Auffällig an der Gebäudearchitektur aus vormaligem Krankenhaus mit (jetzt) Tiefgarage, Restaurant und Hotel ist die Tatsache, dass die Anlagentechnik zielgerichtet an die baulichen Gegebenheiten angepasst werden musste. So sehen wir zum Teil sehr lange Rohrleitungen vom Malzraum mit Schrotmühle durch weitere Räume hindurch zur Brauanlage, die sich etwas erhöht an der Seite des Gastraums im Restaurant befindet. Weiter entfernt liegen ebenfalls Brau- und Lagerkeller. Letzterer ist sogar über mehrere Räume verteilt mit dem besonderen optischen Highlight eines offenen 2000 Liter Gärtanks hinter einer Glasfront, die sich an der Seite der Tiefgarage befindet. So weiß jeder Gast, der mit Auto im Hotel ankommt, sofort, dass er sich in einer Brauerei befindet!

Bei der Brauanlage handelt es sich um ein 1000 Liter 3-Geräte-Sudhaus von Destila in Brünn. Zurzeit wird ca. dreimal pro Woche gebraut bei einem Gesamtausstoß von etwa 150.000 Litern pro Jahr, alles für den eigenen Bedarf an den vier Standorten. Für die hauseigenen Lagerbiere werden nur tschechische Zutaten verwendet (z. B. Malz von Beerex). Für saisonale Ales (in Summe 12 Bierstile, u.a. Cascadian Dark Ale) werden auch Malze von Best Malz eingesetzt. Hefe wird für die Lagerbiere als Hefewürfel vom tschechischen Brauinstitut bezogen, ansonsten wird Trockenhefe verwendet (z. B. Fermentis BRY-97 oder Verdant). Die Hefe wird bis zu viermal wiederverwendet. Weiters kommen verschiedene tschechische (z. B. Saazer und Kazbek) und internationale Hopfensorten als Pellets zum Einsatz.

Vorgemaischt wird zwischen Malzmühle und Sudhaus, gemaischt wird bei 68 °C und 72 °C mithilfe doppelter Dekoktion.

Vergärung ist offen und geschlossen möglich, in der Regel wird aber in geschlossenen Tanks vergoren. Die Vergärung erfolgt im Falle der Lagerbiere für sieben bis zwölf Tage bei 10 °C, danach Reifung bei 2 °C in Bright Tanks für sechs Wochen.

In den Räumen befindet sich ebenfalls eine kleine Flaschenabfüllanlage, mit der z. B. die 0,75 Liter Flaschen, die in den Gasträumen erstanden werden können, befüllt werden. Die Flaschenabfüllung (zurzeit ca. 200 Liter pro Woche) erfolgt manuell, allerdings angesichts der verwendeten Anlage (ohne Vakuumierung etc.) mit wahrscheinlich signifikantem Sauerstoffeintrag. Die Haltbarkeit der abgefüllten Flaschen wird mit drei Wochen angegeben, was angemessen scheint. Sehr vorteilhaft war die Möglichkeit zur Flaschenabfüllung und -verkauf während der Coronazeit kurz nach Eröffnung des Hotels und der Brauerei. Weiters steht eine eigene Anlage zur Luftverflüssigung zur Verfügung, aus der Stickstoff gewonnen wird, welcher in einem Gemisch mit CO2 zum Umpumpen genutzt wird. Wie bereits erwähnt, müssen große Distanzen in den Räumlichkeiten durch Umpumpen überbrückt werden.

Die Dauer der sehr interessanten Führung betrug etwa eine Stunde. Dabei wurde großzügig direkt aus den Lagertanks verkostet. Dem schloss sich ein reichliches und schmackhaftes Abendessen in den modernen Räumlichkeiten des Restaurants an. [TS]

EFI Pivovar: Brauanlage (Ascher, 2025)

EFI Pivovar: Gärkeller (Ascher, 2025)

Verkostungsnotizen

  • Schankbier 8°: kaltgehopft mit Kazbek, direkt aus dem Lagertank verkostet, sehr leichtes Bier aber mit schönem Hopfenaroma [TS]
  • Lagerbiere 11°/12°: stiltypische tschechische Lagerbiere, beide sehr ausgewogen und sehr gut trinkbar [TS]

EFI Pivovar: Verkostung aus Lagertanks (Ascher, 2025)

U Tomana

Details zum Braugasthaus

Apartmány a restaurace u Tomana
Náměstí Svobody 93/22, 602 00 Brno-střed
Webseite: https://www.utomana.cz

Besuchsbericht

Die 1000 Liter Brauanlage ist einer der ersten Eindrücke, die man bekommt, wenn man den Gastraum von U Tomana betritt. Gebraut wird hier seit 2018 zur Deckung des eigenen Bierbedarfs. Neben typischen untergärigen Bieren stellen zwei Brauer auch obergärige Biere wie Pale Ales, IPAs und Weißbier her. Weitere Biere wie ein Baltic Porter, das auch einen silbernen European Beer Star Award eingebracht hat, sind nur saisonal verfügbar. Eine Verkostung fast aller beim Besuch verfügbaren Biere war direkt vom Tank möglich.

Der Großteil der Brauerei befindet sich einen Stock tiefer: Gär- und Lagertanks, Lager und Abfüllanlage. Eingemaischt wird hier in einem separaten Behälter bei 40 °C. Danach wird die Maische einen Stock höher gepumpt und per Dekoktion zuerst auf 62 °C und danach auf 72 °C gebracht. Nach dem Hopfenkochen erfolgt die Hauptgärung über 7 bis 10 Tage mit einer anschließenden Reifung von 30 Tagen. Pale Ales und IPAs werden über 72 Stunden lang mit 10 g/l Hopfen gestopft.

Als Basismalz setzt man Pilsner-Tennenmalz von Raven Trading ein. Die Spezialmalze stammen von Best Malz und Weyermann. Für die Gärung nutzt man Trockenhefen von Fermentis (W-34/70) und Lallemand (unter anderem BRY-97 und Verdant). Die untergärigen Biere enthalten Hopfen aus der Region Žatec (Saaz) wie Agnus, Harmonie und Saazer während man bei obergärigen Bieren auf die typischen amerikanischen, neuseeländischen und australischen Sorten zurückgreift. Das Brauwasser muss enthärtet werden. [TA]

U Tomana: Brauanlage (Ascher, 2025)

 

U Tomana: Gärkeller (Ascher, 2025)

Verkostungsnotizen

  • Baltic Porter: 10 Vol.%, ein bis 1½ Jahre gelagert, sehr glattes und harmonisches Bier mit tollem, seidigem Mundgefühl, stiltypisch und zu Recht hoch bewertet. Meines Erachtens eines der besten Biere dieser Reise. [TS]
  • Helle Lagerbiere 10°/12°: aus den Lagertanks verkostet, stiltypisch ausgewogen und gut, evtl. leichte und angemessene Diacetylnote [TS]
  • Dunkles Lager (Tmavy 11°): ebenfalls stiltypisch, ausgewogen und harmonisch [TS]

 

U Tomana: Verkostung aus Lagertanks (Ascher, 2025)

Über das Brauen heller tschechischer Lagerbiere

Der geneigte Autor dieser Zeilen ist schon lange großer Fan tschechischer Lagerbiere, betrachtet vor allem helle tschechische Lager als quasi den „Heiligen Gral“ der Braukunst und macht sich daher schon lange Gedanken, wie man denn als Hobbybrauer zum Ziel kommt.

Also, wie muss ein helles tschechisches Lager sein? Vor allem muss es eine exzellente Balance aufweisen zwischen Malzkörper, präsenter aber schön eingebetteter Restsüße, Spritzigkeit, milder Bittere und edlem Hopfenaroma. Auch die leichteren Biere (z. B. Osmička mit 8°P, Desítka mit 10°P oder Jedenáctka mit 11°P) müssen ausreichend Körper, Mundfülle und Komplexität besitzen, und das schaffen sie auch wie kaum anderswo! Diacetyl kann den Geschmack abrunden, muss aber nicht. Das heißt im Endeffekt vor allem, dass das Bier leicht und in großen Mengen trinkbar sein muss. Die Tschechen haben den höchsten Pro-Kopf-Bierverbrauch der Welt, und das Bier ist ja dazu noch äußerst günstig. Wie machen die das also? Ich habe ein bisschen herumgeschaut, mir Gedanken gemacht und auch Fragen gestellt.

Hefestamm?

Scheint im Endeffekt gar nicht mal so wichtig zu sein! Ein Braumeister in Zateč hat mir im Gespräch gesagt, dass die Hefe, die er benutzt, der W34/70-Typ von Weihenstephan ist (also vermutlich der flüssige Stamm), und auch bei U Tomana wird einfache W34/70-Trockenhefe verwendet. Daher denke ich nun, dass man eigentlich mit jeder anständigen untergärigen Hefe ein sehr gutes tschechisches Lager hinbekommen sollte, sogar mit der Allzweckwaffe W34/70! Das deckt sich eigentlich auch mit z. B. den von Jalowetz (1930) festgehaltenen historischen Anmerkungen zur „Frühzeit“ von Pilsner Urquell, während der Hefe aus bayerischen Lagerkellern bezogen wurde.

Maischeverfahren mit Dekoktion?

Es schien mir, dass jede Brauerei, die ich in Tschechien in den letzten Jahren von innen gesehen habe, zumindest in der Lage ist, mit Dekoktion (klassisches Zwei- oder sogar Dreimaischverfahren) zu brauen (im Braumagazin hat Moritz Gretzschel vor einiger Zeit verschiedene Dekoktionsmaischeverfahren erläutert, die klassischen Verfahren findet man auch im Hobbybrauer Kompendium). Auch in den beiden besichtigten Brauereien in Brünn wird so gebraut. Im U Tomana wurde auch von tiefen Einmaischtemperaturen bei etwa 40 °C gesprochen, was sogar für ein Dreimaischverfahren spräche.

In der Vergangenheit meinte ein Braumeister in Zateč auch zu mir, dass er beim Maischeverfahren schon darauf schaut, mehr unvergärbare Zucker ins Bier zu bekommen. Also spielt vermutlich auch eine verkürzte Maltoserast eine Rolle. Es ist fraglich, ob die Länge der Rasten eine große Rolle spielt bei klassischem Zwei- oder sogar Dreimaischverfahren, aber für die leichteren Biere vielleicht doch? Schließlich zeichnen gerade die sich durch eine bemerkenswerte Fülle und Komplexität trotz der geringen Stammwürze aus.

Malzschüttung?

Hier habe ich nicht so drauf geachtet. Die Biere sind ja etwas dunkler, aber ob das allein durch das Dekoktionsverfahren oder doch durch geringe Schüttungsanteile an dunklem Malz hervorgerufen wird, kann ich nicht sagen. Ich habe leider auch nicht darauf geachtet oder gehört, dass jemand auf Tennenmalz o. ä. abgehoben hätte.

Kupfer-Sudhaus?

Vermutlich nicht essenziell. Auch die beiden Brauereien in Brünn hatten Edelstahlanlagen, wie in anderen Städten/Brauereien auch. Pilsner Urquell schwört Stein und Bein auf seine direkt befeuerten Kupferkessel, aber unbedingt notwendig scheint das also nicht zu sein.

Lagerdauer?

Das schien mir ein sehr wichtiger Faktor zu sein! Im EFI wird für sechs Wochen gelagert, anderswo habe ich in der Vergangenheit ebenfalls von 60 bzw. sogar 90 Tagen Lagerdauer gehört. Das U Tomana stach diesbezüglich mit nur vier Wochen für mich persönlich sogar ein wenig raus. Man lässt sich aber in der Regel offenbar Zeit und kürzt nicht ab!

Diacetyl?

Ich schmecke es nicht immer zuverlässig raus, aber zumindest in einigen Bieren war es drin. Eine Diacetylrast scheint ebenfalls nicht immer gefahren zu werden, wobei m. E. die Biere bei EFI sehr sauber waren. Für Flaschenvergärer ist Diacetyl aufgrund der sehr unvollständigen Abtrennung der Hefe „leider“ fast unmöglich hinzubekommen, aber möglicherweise ist es mit einem stärker zur Diacetylfreisetzung neigenden Hefestamm etwas einfacher.

Hopfensorte und -qualität?

Vermutlich sehr wichtig! Eine harmonische Bittere kriegt man nun nicht mit jedem Hopfen hin, z. B. Kazbek ist ein hervorragender Hopfen (wobei er heuer nicht mehr sonderlich populär zu sein scheint und man mittlerweile auch gerne auf modernere Sorten wie Saturn und Jupiter zurückgreift). Zumindest bei EFI legt man bei den Lagerbieren Wert auf rein tschechische Zutaten – man kann also mit Sicherheit von Hopfen Saazer Provenienz ausgehen. Ob Dolden oder Pellets verwendet werden, dürfte hingegen weniger wichtig sein – wobei ich sowohl von Budvar als auch deren Hopfenbezugsquelle in Zateč weiß, dass Budvar immer noch ausschließlich gepresste Dolden bezieht und keine Pellets (aber auch als einziger Kunde?).

Gärführung und Hefemanagement?

Hier konnte ich keine neuen Erkenntnisse dazu gewinnen. Die allgemeinen Tipps wie sauberes Arbeiten, ausreichend frische Hefe, gute Nährstoffversorgung kann man vermutlich voraussetzen. Wie und wann man nun im Einzelfall belüftet, die Temperatur kommen lässt, das Jungbier von der Hefe nimmt, präzise aufspundet etc. kann ich nicht sagen – da dürfte jede Brauerei ihre eigene Methode haben, aber mir ist beispielsweise keine übertrieben komplexe Brau- oder Messtechnik aufgefallen.

Quintessenz

In der Zusammenfassung kommt es mir dann doch ein wenig so vor, dass es irgendwie auch die Summe von allem bzw. viel Liebe zum Detail und Geduld ist! Sushi-Köche müssen ja angeblich auch sieben Jahre üben. [TS]

Quellen

  • Jalowetz, E. (1930). Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft. Verlag Institut für Gärungsindustrie.
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