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American Wheat Wine – 100 % Weizenmalz? Das geht.

Maische: kein Problem

Weizenmalz. Weizenmalz? Weizenmalz hat keine Spelzen! Weizenmalz hat keine Enzyme! Und wenn, dann nur ganz miese. Schüttungsanteil 100 %? Ein Sakrileg. Unmöglich. Wieder mal. Man liest die verschiedensten Kommentare zum Thema Weizenmalz (siehe oben), beäugt die neu angeschafften Brauhäfen, für die man mal wieder das (nächste) Urlaubsgeld rausgeschmissen hat, und denkt sich: ….ich gebe dir jetzt was ganz besonderes zu fressen….

Zuvor möchte ich mal festhalten, dass man zum Thema Weizenmalz so einige wunderliche Ansichten im Netz vertreten findet, die sich irgendwo im vor-galileischen Torquemadistan des Brauwesens verorten lassen. Mein Lieblings-Sudhauslatein dabei: Weizenmalz hat keine Enzyme. Weizenmalz hat Enzyme. Naturgegeben, angeboren, gottgewollt – wenn man denn schon die christlichen Heilslehren bemühen möchte: Amylasen, wie der Herr sie schuf, das α und das…β der Amlyasen.[1] Halleluja. Lässt sich auch aus den jeweiligen Spezifikationen der Malze ableiten, so wie etwa hier.  Und zwar unter dem Punkt Verzuckerung. Die es nur geben kann, wenn etwas die Stärke zerlegt. Sprich: verzuckert. Das tun gewöhnlich Amylasen. Ich kann nun natürlich mein Weizenmalz temperaturmäßig so grobschlächtig misshandeln, dass ich die Amylasen ruiniere, bzw. denaturiere.[3] Ich kann das Malz in einen Muffeloffen schieben und bei 500 °C kremieren. Dann sind die Enzyme „weg“ – zumindest mehr oder weniger. Da waren sie vorher aber trotzdem, ob ich das nun wahrhaben will oder nicht. Kurzum: Weizen(brau)malz hat Enzyme, namentlich Amylasen, Proteasen und so weiter. Alles, was ich brauche, um die breiige Pampe biochemisch in eine vergärbare Flüssigkeit zu zerlegen. 
Auch die Enzymaktivität selbst muss scheinbar nicht zwingend das Problem sein, selbst wenn sie in einschlägiger Literatur oft als geringer angegeben wird, als die Enzymaktivität von Gersten-Braumalz.[4];[5] So findet man bei gewissen Anbietern durchaus Pilsener Malz mit derselben Angabe bezüglich diastatischer Kraft (Grad Windisch-Kolbach) wie die von hellem Weizenmalz.[6];[7]
Der nächste Punkt: Weizenmalz hat keine Spelzen. Stimmt. Stimmt? Stimmt bedingt. Weizen hat Spelzen. Diese werden aber bereits bei der Ernte samt dem restlichen Spreu abgetrennt. Ergo: Weizen hat Spelzen, zumindest vor der Ernte. Weizenmalz hat keine (mehr).[8];[9]

Was bedeuten das nun für die Praxis? Im Klartext: Wir müssen aufgrund der nicht mehr vorhandenen Spelzen mit einer kompakteren Maische rechnen. Wir müssen gegebenenfalls mit einer längeren Kombi-, bzw. Maltoserast rechnen (davon ist nicht zwingend auszugehen, einfach die °WK in der Malz-Spezifikation checken). Wir müssen im schlimmsten Fall mit Maischproblemen rechnen, da Weizenmalz aufgrund des höheren Rohprotein-Anteils mehr Wasser bindet.

Also:…können 100 % meiner Schüttung aus Weizenmalzen bestehen? Schlicht und ergreifend: Ja. Durchaus. Warum auch nicht? Die 100% Schüttungsanteil sind nicht nur möglich. Sie sind historisch erprobt. Der Bierstil des „Grätzers“ zeichnet sich durch einen Schüttungsanteil von 100 % Weizenmalz (und zwar geräuchertem) aus. Funktioniert. Und zwar sehr gut, selbst bei nur ca. 3,0 % alc./vol.. Funktioniert seit sicherlich mehr als 100 Jahren.[10] Selbst wenn hier Nachahmung durchaus empfohlen ist, haben wir uns letzten Endes für einen American Wheatwine entschieden.
Warum? Der Stil ist noch obskurer und perfider als der des Rauchmalz-explorativen Grätzers. American Wheatwine zeichnet sich, ähnlich dem Barley Wine, durch eine hohe Stammwürze und – klarerweise – durch einen sehr hohen Schüttungsanteil Weizenmalz aus.[11] Und damit gehen wir auch schon in medias res:

Schüttung:
7500 g Weizenmalz hell (Weyermann)
2000 g Diastase-Weizenmalz (sehr hohe Amylase-Aktivität, Weyermann)
500 g Cara-Wheat
Hauptguss: 40 L
Nachguss: 20 L

Einmaischen: bei 60 °C für 30 min
Kombirast: 67 °C für 80 min
Läuterrast: 78 °C für 30 min

Bezüglich Hopfengaben sind wir annähernd, mit einem etwas herberen Einschlag, den Stilrichtlinien gefolgt:
Amarillo 30 g für 90 min
Cascade 30 g für 90 min
Amarillo 20 g für 45 min
Cascade 20 g für 45 min
IBU: 77.4/Aroma: 0.9 mg/L

Auf die Zugabe von Enzymen wurde ganz bewusst verzichtet.
Die Jodnormalität war nach 80 min Kombirast eindeutig erreicht. Das Abläutern stellte nicht das geringste Problem dar. Die Anstellwürze (21.4 °P) wurde mit 2 Päckchen Fermentis Safale US-05 beglückt, wobei die Gärung nach 12 h ankam. Was soll man sagen? Wieder ein problemloser Sud….

Gebraut wurde diesmal in der Kombination Maischkessel-/Läuterbottich mit dem Braukessel PRO (57 L; 1/2 “ VA Kugelhahn) und dem höhenverstellbaren Volksrührwerk (30W Motor, inkl. Verkabelungsset und Netzteil) von Brwpgnda sowie dem MattMill-Läuterblech (397 mm; lange Bügel). Abgeläutert wurde direkt in den 57 L Braukessel von Brwpgnda. Ein großer Dank hier nochmals an Georg Moser und Sudkraft, die uns nicht nur kostenlos eine gesamte Hopfensau-Dampfbrauanlage zu Testzwecken, sondern für den aktuellen Sud auch einen zusätzlichen digitalen Temperatursensor zur Verfügung gestellt haben. Wir werden demnächst mit Artikeln zu Brauanlagen, Braugerät und Zubehör starten – da hat die Hopfensau freilich einen Fixauftritt…    

 

[1] Schünemann, C. (2006). Lernfelder der Bäckerei und Konditorei-Verkauf. Gildebuchverlag GmbH.

[2] http://www.spektrum.de/lexikon/biologie/amylasen/3166 [01.08.2017]

[3] Fleming, J. R., Johnson, J. A., & Miller, B. S. (1960). Effect of malting procedure and wheat storage conditions on alpha-amylase and protease activities. Cereal Chem, 37(3), 363-370.

[4] Noello, C., Biduski, B., Caregnatto, G., Elias, M. C., & Gutkoski, L. C. (2012). Enzymatic activity of wheat malt. Acta Iguazu, 1(4), 78-82.

[5] Cook, A. H. (Ed.). (2013). Barley and malt: biology, biochemistry, technology. Elsevier.

[6] Acker, L., Bressau, G., Brubacher, G. B., Bürger, K. M., Diemair, S., Diemair, W., … & Kotter, L. (2013). Analytik der Lebensmittel Nachweis und Bestimmung von Lebensmittel-Inhaltsstoffen (Vol. 2). Springer-Verlag.

[7] Hopkins, R. H., Hind, H. L., & Day, F. E. (1934). MALT ANALYSIS. BRITISH AND CONTINENTAL METHODS, AND THE INTER‐RELATIONSHIP OF RESULTS. Journal of the Institute of Brewing, 40(6), 445-453

[8] http://www.agrilexikon.de/index.php?id=spelze [31.07.2017]

[9] http://getreide-muehle-kaufen.de/weizen/ [31.07.2017]

[10] http://braumagazin.de/article/graetzer-kehrt-zurueck/ [01.08.2017]

[11] https://www.bjcp.org/docs/2015_Guidelines_Beer.pdf [01.08.2017]

 

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